Verpflichtung zur Jahressechstel-Rollung

Patrick Vilsecker

Ab dem Jahr 2020 sind Arbeitgeber verpflichtet, bei Auszahlung des letzten laufenden Bezuges im Kalenderjahr das Jahressechstel, also die Grenze für die 6 %-Begünstigung von Sonderzahlungen, neu zu berechnen. Die Neuberechnung ist somit im im Abrechnungszeitraum Dezember bzw. bei unterjährigem Austritt bereits im Endabrechnungsmonat oder bei ruhendem Entgeltanspruch (z.B. Bildungskarenz, längerer Krankenstand) im letzten Monat vor dem kompletten Entgeltwegfall (sofern das Entgelt innerhalb dieses Kalenderjahres nicht mehr auflebt) durchzuführen.

In bestimmten Fällen kann sich dadurch ein nachträglicher Sechstelüberhang ergeben, der zur Nachversteuerung jener Sonderzahlungen führt, die während des Jahres begünstigt besteuert worden sind Rollungspflicht gemäß § 77 Abs. 4a EStG.

Diese Neuberechnungspflicht entfällt komplett für das ganze Kalenderjahr, wenn darin eine gesetzliche Elternkarenz, ein Beschäftigungsverbot gemäß Mutterschutzgesetz oder ein „Papamonat“ liegt, unabhängig von der jeweiligen Dauer.

Der Zweck der neuen Jahressechstel-Rollungspflicht besteht darin, jene exzessiven steuerlichen Sechsteloptimierungen zu verhindern, die das Jahressechstel unterjährig stark in die Höhe treiben und durch das zeitliche Vorziehen von Sonderzahlungen bewusst ausnützen. Es gibt aber andere  Anwendungsfälle, die ab 2020 von sechstelbedingten Nachversteuerungen betroffen sein können:
  • Reduktion der Arbeitszeit und damit des Entgelts in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres
  • Pflege- oder Bildungskarenz, unbezahlter Urlaub und sonstige „Ruhensfälle“ in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres (außer Mutterschutz, Papamonat und gesetzliche Elternkarenz)
  • Entgeltreduktion durch langen Krankenstand
  • Unterjähriger Austritt nach Erhalt des vollen Urlaubszuschusses ohne Rückverrechnung des überanteiligen Urlaubszuschusses (zB aufgrund kollektivvertraglicher Regelung)
  • Unterjähriger Austritt mit überproportional hohen Sonderzahlungen (zB Vorjahresbonus)
  • Unterjährig schwankendes Sechstel, wenn das Sechstel (z.B. wegen Überstundenwegfall) im Dezember niedriger ist als bei Auszahlung der Weihnachtsremuneration im November
Die Arbeitgeber sollten auf die Fragen der Mitarbeiter vorbereitet sein, da die Jahresendversteuerung teilweise nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar sein wird.

Update 01.12.2020:

Vorschau: Entschärfen des Kontrollsechstels ab 2021 

Der Antrag zum COVID-19-Steuermaßnahmengesetz sieht eine Entschärfung des Kontrollsechstels bei der Besteuerung von Sonderzahlungen vor. Gelten soll diese vorbehaltlich etwaiger Änderungen von Details im Rahmen der Gesetzwerdung ab 2021. Mit der Adaptierung reagiert die Politik auf die anhaltende Expertenkritik. Der Antrag beinhaltet folgende Änderungen:
 

Neue Ausnahmen der Kontrollsechstelpflicht 

Bisher darf die Berechnung nur entfallen, wenn innerhalb des Kalenderjahres eine gesetzliche Elternkarenz (Mutterschutz, Väterkarenz, Papamonat) liegt. Ab 2021 soll diese Pflicht auch entfallen, wenn
  • das Dienstverhältnis im betreffenden Kalenderjahr endet (Ausnahme: der Arbeitnehmer tritt innerhalb des Kalenderjahres wieder beim selben Arbeitgeber bzw. einem verbundenen Konzernunternehmen ein) oder
  • im dem Kalenderjahr eine der folgenden Zeiten liegt:
    • Pflegekarenz oder -teilzeit, Familienhospizkarenz oder -hospizteilzeit, Wiedereingliederungsteilzeit,
    • Grundwehrdienst oder Zivildienst,
    • Bezug von Krankengeld (ohne AG-Entgeltfortzahlung), Rehabilitationsgeld, Altersteilzeitgeld oder Teilpension.
Die vorgesehene Gesetzesänderung soll bewirken, dass das Kontrollsechstel ab 2021 weiterhin vor allem bei aktiven Dienstverhältnissen im Dezember anwendbar bleibt. Von der Kontrollsechstelpflicht sind aber einige Ruhens- oder besondere Teilzeitfälle nicht ausgenommen, wie zB unbezahlter Urlaub, Bildungskarenz bzw. -teilzeit, Elternteilzeit.
 

Kontrollsechstel auch zugunsten der Arbeitnehmer

Vorteilhaft für den Arbeitnehmer ist in der Neuregelung, dass das Kontrollsechstel ab 2021 auch zu einer Gutschrift führen kann - nicht wie bisher nur zu einer Steuernachzahlung.

Wichtiger Hinweis: Beachten Sie bitte, dass es im Zuge des Gesetzwerdungsverfahrens noch zu Detailanpassungen und Umformulierungen kommen kann. 



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