Neu geregelt ab Gültigkeit 2023 

Doppelter Progressionsvorbehalt bei doppeltem Wohnsitz

Mandy van den Hurk, Dudu Yurttas

Achtung: Die Neuregelung gilt bei der Besteuerung von Einkünften in Österreich, wenn ein Wohnsitz in Österreich UND im Ausland besteht!

Vor dem 01.01.2023 musste lediglich festgestellt werden, ob eine Person in Österreich steuerlich „ansässig“ ist oder nicht. War jemand in Österreich ansässig, musste auch das gesamte Einkommen, das durch alle Tätig­keiten weltweit erzielt wurde, in der österreichischen Steuer­erklärung angegeben werden. Je nach Doppel­besteuerungs­abkommen wurde eine Doppelbesteuerung von Einkünften aus verschiedenen Ländern entweder durch die Anrechnungs- oder die Befreiungs­methode vermieden. 
Bei der Befreiungs­methode wurde zwar das gesamte Welt­einkommen in Österreich angegeben, allerdings nur für die Berechnung des Steuersatzes, welcher auf das österreichische Einkommen angewandt wurde. Diese Vorgangs­weise wird als „Progressions­vorbehalt“ bezeichnet.
   
Beispiel 1
Ein deutscher Staatsbürger ist in Deutschland unselbständig beschäftigt und vermietet eine Wohnung in Österreich. Er hat ganzjährig einen Wohnsitz in demselben Haus in Österreich sowie einen Wohnsitz in Deutschland. Abkommens­rechtlich gilt er als in Österreich ansässig.
Bisher musste in Österreich auch das deutsche Einkommen zur Berechnung des österreichischen Steuersatzes berücksichtigt werden. Das österreichische Einkommen blieb jedoch in Deutschland außer Ansatz.
   

Neue Regelung ab 2023

Seit 01.01.2023 gilt Folgendes: Unser deutscher Staatsbürger muss nicht nur sein deutsches Einkommen in Österreich bekanntgeben, sondern auch sein österreichisches Einkommen in Deutschland. Dies hat zur Folge, dass sich der Steuersatz in Deutschland erhöht. Die beiderseitige Angabe der ausländischen Einkünfte kann aber durch die Zweit­wohnsitz­verordnung vermieden werden.
   

Zweitwohnsitzverordnung

Die Zweitwohnsitzverordnung bietet eine Möglichkeit, dem Progressions­vorbehalt entgegen­zuwirken. Wenn der österreichische Zweit­wohnsitz weniger als 70 Tage im Jahr genutzt wird und der Lebens­mittelpunkt seit mindestens fünf Jahren im Ausland liegt (was nachgewiesen werden muss), kann man als steuerlich beschränkt gelten. Das bedeutet, dass nur die inländischen Einkünfte in Österreich besteuert werden, ohne dass der Progressions­vorbehalt auf das gesamte Welteinkommen angewendet wird.
Beispiel 2
Eine nieder­ländische Unternehmerin vermietet in Österreich eine Wohnung und hat in beiden Ländern einen Wohnsitz. 
  1. Steuerliche Konsequenzen, wenn die Zweit­wohnsitz­verordnung NICHT anwendbar ist: Die Vermietungs­einkünfte sind in Österreich steuerbar und steuerpflichtig. Aufgrund des Wohnsitzes ist die nieder­ländische Unter­nehmerin in Österreich unbeschränkt steuer­pflichtig und muss nach der neuen Rechtslage die nieder­ländischen Einkünfte in Österreich als Progressions­einkünfte angeben. Dies erhöht den Steuersatz in Österreich. In den Nieder­landen sind die österreichischen Vermietungs­einkünfte ebenfalls als Progressions­einkünfte anzugeben.
  2. Steuerliche Konsequenzen, wenn die Zweit­wohnsitz­verordnung anwendbar ist: Wenn die oben erwähnten Voraus­setzungen der Zweit­wohnsitz­verordnung erfüllt werden, ist die nieder­ländische Unternehmerin in Österreich beschränkt steuer­pflichtig. Die erzielten Vermietungs­einkünfte sind in Österreich zu versteuern. Bei beschränkter Steuerpflicht ist beim Einkommen noch ein Betrag von EUR 10.486,- hinzuzurechnen (Hinzurechnungs­betrag ab Veranlagung 2024). Die nieder­ländischen Einkünfte sind in diesem Fall in Österreich nicht als Progressions­einkünfte anzugeben. In den Nieder­landen sind jedoch die österreichischen Vermietungs­einkünfte als Progressions­einkünfte anzugeben.
    Bei beschränkter Steuerpflicht ist die Klein­unternehmer­befreiung nicht anwendbar, da der Ort, von dem aus die Unternehmerin ihr Unternehmen betreibt, die Nieder­lande sind. In diesem Fall sind die Vermietungs­umsätze ab dem ersten Euro umsatz­steuer­pflichtig.
    Ab dem 01.01.2025 wird jedoch die Klein­unternehmer­befreiung auf ausländische Unternehmer:innen erweitert, die steuer­pflichtige Leistungen außerhalb ihres Mitglieds­staates innerhalb der EU erbringen. Dabei müssen sowohl die nationalen Schwellen­werte als auch der EU-weite Schwellen­wert von EUR 100.000,- beachtet werden.
 
Stand: 29.04.2024 
Bild: Pixabay