Streitfall Saisonregelung

Kündigungsfristen bei Arbeiter:innen

Caroline Forster

Update 01.08.2024

Das VfGH hat zum Thema entschieden: Die Höchstrichter:innen haben ausgesprochen, dass die gesetzliche Arbeiter:innen-Kündigungsregelung verfassungskonform ist und daher weiter voll in Geltung bleibt (VfGH 25.06.2024, G-29/2024). Der VfGH sieht im Saisonprivileg, welches den KV-Parteien in Branchen mit überwiegenden Saisonbetrieben erlaubt, kürzere Kündigungsfristen zuzulassen, keine Verletzung des Legalitätsprinzips und auch nicht des Gleichheitsgrundsatzes.

Da aber weiterhin unklar ist, wer die Beweislast für die Einstufung als überwiegende Saisonbranche trägt, was die Anwendbarkeit der verkürzten Kündigungsfrist mit sich bringt, muss im Hotel- und Gastgewerbe nach wie vor zu empfohlen werden, im Falle einer geplanten Beendigung von Arbeiter:innen-Dienstverhältnissen auf einvernehmliche Auflösungen „auszuweichen“. Wenn dies mangels Zustimmung des/der Arbeitnehmer:in nicht gelingt, sollte vorsichtshalber die gesetzlich maßgebliche Kündigungsfrist (zum vorgesehenen Kündigungstermin) angewendet werden.
   

Stand April 2024

Wie bereits berichtet, gelten seit 01.10.2021 für Arbeiter:innen im Grundsatz dieselben gesetzlichen Kündigungs­fristen und -termine wie für Angestellten, also je nach Dienstzeit sechs Wochen bis fünf Monate. Dabei muss das Dienst­verhältnis zum Quartalsende enden oder – falls im KV, im Dienstvertrag oder in einer Betriebs­vereinbarung vorgesehen – kann auch zum 15. oder Letzten des Monats enden. Via KV können allerdings für Branchen, in denen Saison­betriebe österreich­weit überwiegen, weiterhin kürzere Kündigungs­fristen geregelt werden („Saisonprivileg“). Diese Bestimmung sorgt seit Jahren für Verunsicherung, insbesondere im Hotel- und Gast­gewerbe. Auch zwei Entscheidungen des Obersten Gerichts­hofes haben – trotz redlicher Bemühung der OGH-Richter – bislang keine Klärung gebracht.

Nun gibt es aber neue Entwicklungen: Der OGH hält die Regelung des § 1159 ABGB für verfassungs­widrig und hat daher einen Antrag beim Verfassungs­gerichts­hof auf Aufhebung gestellt. Die Bedenken des OGH richten sich darauf, dass die derzeitige gesetzliche Regelung dem Rechtsstaats­prinzip und dem Gleichheits­grundsatz widerspräche.

Dies zeigt die Schwierigkeit für die betriebliche Praxis im Personalwesen auf. Betroffen ist nicht nur das Hotel- und Gastgewerbe, sondern auch viele andere Branchen. Möglicherweise könnte es jene Branchen  treffen, in denen sich die KV-Parteien schon auf die Anwendung des Saison­privilegs geeinigt hatten (Baugewerbe, Bauindustrie, Güter­transport­gewerbe, Spengler, etc.). 

Je nach finaler Entscheidung des VfGH sind für die Zukunft verschiedene Szenarien denkbar:
  1. Aufhebung der gesamten Kündigungs­regelung des § 1159 ABGB: Es droht allen Branchen die Rückkehr zur alten Gesetzes­lage. Bei den Arbeiter:innen würde dadurch wieder eine gesetzliche Kündigungs­frist von 14 Tagen gelten (betriebs- sowie arbeit­nehmer:innen­seitig). In diesem Fall wäre der Gesetz­geber wohl gezwungen, rasch mit einer Neuregelung zu reagieren.
  2. Aufhebung (nur) des im § 1159 ABGB enthaltenen Saison­privilegs: Dies würde in allen Branchen dieselbe Gesetzeslage für Kündigungen bei Arbeiter:innen wie für Angestellte herbeiführen. Kollektiv­vertragliche Verschlechte­rungen zulasten der Arbeiter:innen wären dann gegenüber dem Gesetz nicht mehr zulässig (mit Ausnahme der Verankerung des 15. und Letzten des Monats als Kündigungs­termin für die Arbeit­geber:innen). Die Kompetenz der KV-Parteien zur Festlegung abweichender Kündigungsregelungen für saisongeprägte Branchen würde ersatzlos wegfallen, damit würden auch alle darauf aufbauenden KV-Regelungen (zB Baugewerbe, Güter­transport­gewerbe, Spengler etc.) unwirksam.
  3. Ablehnung des Antrags durch den VfGH: Dies hätte die Weitergeltung des § 1159 ABGB samt Saison­privileg zur Folge. Alle Branchen, in denen dieses anwendbar ist, könnten aufatmen. Für Branchen, in denen die Anwendbar­keit des Saison­privilegs strittig ist (insbesondere für das Hotel- und Gast­gewerbe) würde dies hingegen die Fortsetzung der Rechts­unsicherheit bei Kündigungen von Arbeiter:innen bis zum „Sankt Nimmerleins­tag“ bedeuten.
In Fachkreisen wird mit einer Entscheidung des VfGH im Herbst 2024 gerechnet. 

Falls in der Zwischenzeit im Betrieb die Beendigung von Arbeiter:innen-Dienst­verhältnissen ansteht, ist Folgendes zu empfehlen:
  • In Branchen, in denen das Saison­privileg seitens der KV-Parteien bejaht wird (zB Baugewerbe, Güter­transport­gewerbe, Spengler etc.), können die Arbeit­geber:innen bis zur VfGH-Entscheidung ohne größeres Risiko die kollektiv­vertraglichen Kündigungs­regelungen anwenden. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die VfGH-Entscheidung – wie auch immer sie inhaltlich ausfallen wird – rückwirkend umgesetzt werden muss.
  • In jenen Branchen, in denen die Anwendbarkeit des Saison­privilegs strittig ist (insbesondere im Hotel- und Gastgewerbe), sollte versucht werden, einvernehmliche Auflösungen zu erzielen. Falls dies im Einzelfall mangels Zustimmung von Arbeit­nehmer:innen nicht in Frage kommt, ist es bis auf weiteres sinnvoll, Kündigungen vorsichts­halber unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungs­frist zu einem gesetzlich zulässigen Kündigungs­termin auszusprechen (insbesondere zum Vermeiden des Risikos einer Kündigungs­entschädigung).

Stand: 01.08.2024
Erstellt: 30.04.2024
Quelle: Kraft & Kronberger Fachpublikationen
Bild: Pexels – Andrea Piacquadio