Noch zulässig?

Ausbildungskostenrückersatz

Caroline Forster

Zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) und der dort eingeführten Regelung zu Aus-, Fort- und Weiterbildungen gibt es in der Praxis Diskussionen. Per Oktober wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft eine umfassende Information als Auslegungshilfe veröffentlicht. 
   

Update Oktober

Regelungsinhalt von § 11 AVRAG

Es sieht vor, dass Aus-, Fort- oder Weiterbildungen, die durch Gesetz, Verordnung, KV, Betriebsvereinbarung oder Einzeldienstvertrag verlangt werden, um die im Dienstvertrag vereinbarte Beschäftigung ausüben zu dürfen,
  • als Arbeitszeit zählt und
  • durch den/die Arbeitgeber:in zu finanzieren ist, außer die Kosten werden von dritter Seite (zB AMS) getragen.
   

Anwendungsbereich

Die Anwendung ist nur möglich, wenn die betreffende Aus-, Fort- oder Weiterbildung eine zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung für die bereits dienstvertraglich vereinbarte Tätigkeit darstellt und nicht lediglich als nützlich erachtet wird. Zudem muss die Qualifizierung erst nach dem Zustandekommen des Dienstverhältnisses, das diese Qualifikation voraussetzt, absolviert werden.

Nicht von § 11b AVRAG umfasst sind daher Praktikums- oder Ausbildungsverhältnisse, im Rahmen derer eine Qualifizierung erst erworben wird, Ausbildungen für einen zukünftigen Arbeitsplatz, wie zB Ausbildungen zu Berufspilot:innen sowie Aus-, Fort- und Weiterbildungen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrages bereits abgeschlossen sind.

Die Anwendbarkeit bedingt darüber hinaus, dass jene Regelung, die zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung verpflichtet, für das Unterlassen der Aus-, Fort- oder Weiterbildung eine konkrete Rechtsfolge vorsieht, etwa die Unzulässigkeit der Tätigkeit bei fehlendem Nachweis über die Aus-, Fort- oder Weiterbildung oder eine Strafbestimmung für dessen Unterbleiben.

Wird hingegen eine Verpflichtung durch den/die Arbeitgeber:in oder Arbeitnehmer:in zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung nur allgemein festgelegt, aber nicht näher konkretisiert (keine konkreten Rechtsfolgen bei Unterbleiben), ist § 11b AVRAG nicht anwendbar.
   

Anwendungsbeispiele für § 11b AVRAG

Als Beispiele für Bestimmungen im Sinne des § 11b AVRAG nennt das BMAW ua die gesetzlichen Fortbildungspflichten für
- Steuerberater:innen nach dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz,
- Bilanzbuchhalter:innen nach dem Bilanzbuchhaltungsgesetz,
- Notärzt:innen nach dem Ärztegesetz,
- Sanitäter:innen nach dem Sanitätergesetz.

Im Gegensatz dazu ist das BMAW zB bezüglich der Gesundheits- und Krankenpfleger:innen oder der Hebammen der Ansicht, dass die bei diesen vorgesehenen Fortbildungspflichten nicht unter § 11b AVRAG fallen.
  

§ 11b AVRAG und Ausbildungskostenrückersatz

Nach Ansicht des Ministeriums bezieht sich die in § 11b AVRAG geregelte Verpflichtung zur Kostentragung durch den/die Arbeitgeber:in auf das aufrechte Dienstverhältnis und steht einer Vereinbarung eines Ausbildungskostenrückersatzes gemäß § 2d AVRAG nicht entgegen.
 

Beitrag vom Juni

Der Wortlaut der Regelung lautet: 
Aus-, Fort- und Weiterbildung ist aufgrund gesetzlicher Vorschriften, Verordnungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages eine bestimmte Aus-, Fort- oder Weiterbildung Voraussetzung für die Ausübung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit, so
1. ist die Teilnahme des Arbeitnehmers an dieser Aus-, Fort- oder Weiterbildung Arbeitszeit;
2. sind die Kosten für diese Aus-, Fort- oder Weiterbildung vom Arbeitgeber zu tragen, es sei denn, die Kosten werden von einem Dritten getragen. (2) Die Verpflichtungen nach Abs. 1 stehen darüber hinausgehenden Vereinbarungen zugunsten des Arbeitnehmers nicht entgegen. 


Das bedeutet, dass im bestehenden Dienstverhältnis Aus-, Fort- und Weiterbildungen, die laut gesetzlicher Vorschrift, Verordnung, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Dienstvertrag Voraussetzung für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit sind, als Arbeitszeit behandelt werden müssen, die Arbeitgeber:innen sind zur Übernahme der Kosten wie Kursgebühren etc. verpflichtet. 

Die Pflicht zur Kostentragung der Arbeitgeber:innen entfällt, wenn die Kosten von einem Dritten, zB vom AMS, übernommen werden. Eine Verpflichtung, Aus-, Fort- und Weiterbildungen bereits vor Beginn des Dienstverhältnisses zu finanzieren, beispielsweise für Bewerber:innen, ergibt sich aus der Bestimmung nicht. Es bleiben diese Fragen zu beantworten:
  

Welche Aus-, Fort- und Weiterbildungen fallen tatsächlich unter die Regelung?

Lt. Aussendung der Gewerkschaft kommen va Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitsberufen sowie LKW- und Bus-Lenker:innen in den Genuss der neuen Regelung:
  • Im Pflege- und Gesundheitsbereich sind Zusatzausbildungen ua für Intensivpflege, Wundversorgung, Kinder- und Jugendpflege oder Hospizpflege vorgesehen (siehe Gesundheits- und Krankenpflegegesetz).
  • LKW- und Bus-Lenker:innen müssen innerhalb von fünf Jahren eine Weiterbildung nachweisen (Ausmaß: 35 Stunden). 
Lt. Gewerkschaft sollen solche Weiterbildungen bzw. Zusatzausbildungen nunmehr als Arbeitszeit zu werten und von den Arbeitgeber:innen zu bezahlen sein. Die Rechtslage ist allerdings nicht ganz eindeutig. So vertritt das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) zur Weiterbildung für LKW-Lenker:innen gemäß § 19b Güterbeförderungsgesetz die gegenteilige Ansicht: Da es sich hierbei um eine Pflicht der Arbeitnehmer:innen (Lenker:innen) handle, sei diese Weiterbildung nicht von § 11b AVRAG erfasst und stelle daher keine Arbeitszeit dar.

Somit ist aus heutiger Sicht noch strittig, ob die für Berufskraftfahrer:innen gesetzlich verpflichtenden Weiterbildungskurse unter diese Regelung fallen. 
   

Sind Vereinbarungen über Ausbildungskostenrückersätze damit überholt? 

Die Pflicht der Arbeitgeber:innen zur Kostentragung gemäß § 11b AVRAG wirft die Frage nach dem Verhältnis zu § 2d AVRAG auf, denn die Kostentragungspflicht der Arbeitgeber:innen kann mit Rückersatzpflichten der Arbeitnehmer:innen im Widerspruch stehen. Allerdings wurde die Möglichkeit zur Vereinbarung von Ausbildungskostenrückersätzen durch die Gesetzesnovelle nicht generell abgeschafft. Eine schriftliche Rückersatzvereinbarung ist auch künftig für Aus- oder Weiterbildungen, die keine rechtliche Voraussetzung (aufgrund Gesetz, Verordnung, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Dienstvertrag) für die dienstvertragliche Tätigkeit darstellen, zulässig. 

Achtung: Als „Ausbildung“ (im engeren Sinn) zählt laut Rechtsprechung die Erlernung eines neuen Berufs. Der Begriff „Weiterbildung“ bezieht sich demgegenüber auf eine den Arbeitsmarktwert erhöhende Zusatzausbildung im selben Beruf. Bei einer „Fortbildung“ (zB Update-Veranstaltung ohne arbeitsmarktwerterhöhende Wirkung zur Erhaltung der Berufseignung) ist ein Ausbildungskostenrückersatz von vornherein unzulässig. 
§ 2d AVRAG wurde also nur in jenen Bereichen unanwendbar, die unter § 11b AVRAG fallen, Ausbildungskostenrückersätze sind nunmehr in einigen Bereichen tabu. 

Beispiel: In einer Steuerkanzlei wird eine HAK-Absolvent als Sekretär und Buchhaltungsaushilfe aufgenommen. Ihm wird in Aussicht gestellt, dass er künftig eigene Klient:innen in der Buchhaltung übernehmen darf, sobald er den Buchhaltungskurs erfolgreich absolviert hat. Die Arbeitgeberin ist zwar bereit, die Kurskosten zu übernehmen, der Angestellte soll den Buchhaltungskurs aber in seiner Freizeit besuchen (keine Arbeitszeit). Ist dies arbeitsrechtlich zulässig? 
Antwort: Es ist weder gesetzlich noch per Verordnung/KV vorgeschrieben, dass Buchhaltungstätigkeiten nur von Absolvent:innen eines Buchhaltungskurses ausgeübt werden dürfen. Auch seitens des Betriebes gibt es im konkreten Fall keine Vorgabe, dass für die dienstvertraglich vereinbarte Tätigkeit ein Buchhaltungskurs unverzichtbare Voraussetzung wäre. § 11b AVRAG ist also nicht einschlägig, somit ist es rechtlich in Ordnung, wenn der Kursbesuch in der Freizeit erfolgt. 

Fazit: § 2d AVRAG Ausbildungskostenrückersatz gilt weiterhin und wurde seit 28.03.2024 nur bzgl. jene Aus- oder Weiterbildungen unanwendbar, welche aufgrund Gesetz, Verordnung, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Dienstvertrag eine notwendige Voraussetzung für die dienstvertragliche Tätigkeit sind. In den meisten Bereichen sind Ausbildungskostenrückersätze daher weiterhin zulässig.

Stand: 01.10.2024
Erstellt: 03.06.2024
Quelle: Vorlagenportal
Foto: Kampus Production